31 % Defizit - In Deutschland werden immer noch zu wenig Wohnungen gebaut
Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl 2017 hat das Aktionsbündnis „Impulse für den Wohnungsbau Bayern“ (ein Zusammenschluss von allen wesentlichen Spitzenverbänden der Wohnungs- und Bauwirtschaft in Bayern, des Mieterbundes und der Gewerkschaft IG BAU) auf einer Pressekonferenz am 11. Juli 2017 in München ein neues Positionspapier mit Forderungen an die Politik vorgestellt.
Der Sprecher des Aktionsbündnisses, Dr. Hannes Zapf rechnet die Zahlen des abgelaufenen Jahres vor: Statt den erforderlichen 400.000 Wohnungen (Quelle: Impulse für den Wohnungsbau, Berlin) auf Bundesebene wurden 2016 nur 278.000 neue Wohnungen fertiggestellt. In Bayern waren 70.000 Fertigstellungen angestrebt, erreicht wurden lediglich und 52.000. Damit wurde das Ziel um rund 25 % oder in absoluten Zahlen um 17.340 Wohneinheiten verfehlt. Der Bedarf für die kommenden Jahre erhöht sich entsprechend um diese Differenzen.
„Auch die Wohnungsbaugenehmigungszahlen sind erstmals nach fünf Jahren wieder rückläufig“, mahnt Dr. Zapf. Ursache hierfür ist ein Rückgang der Genehmigungen von Ein- und Zweifamilienhäusern von 6 % auf dem Land. Gleichzeitig steigen aber die Genehmigungszahlen von Eigentums- und Mietwohnungen in den Städten.
Die Darstellung der Regierung bezüglich der Situation im sozialen Wohnungsbau weicht deutlich von der Realität ab. Benötigt werden mindestens 80.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr, tatsächlich wurden im abgelaufenen Jahr lediglich 24.550 gebaut, so Monika Schmid-Balzert, Geschäftsführerin des DMB Landesverband Bayern e. V.
Der Faktor Demografie macht mit 41 % den größten Teil des deutschen Baubedarfs aus. Die Zielsetzung des „Bundesbauministeriums“, die anwachsende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage durch eine Wohnungsbauoffensive zu schließen, wurde bisher verfehlt. Das Aktionsbündnis fordert deshalb zusätzliche Anreize zum Neubau von mehr Wohnungen in allen Gebäudetypen und insbesondere mehr bezahlbaren Mietwohnraum.
Die steuerliche Abschreibung beim Mietwohnungsbau bewegt sich seit 1964 auf dem Niveau von 2 %. Diese Stagnation über mittlerweile 53 Jahre, bei gleichzeitig stetig steigenden Anforderungen, ist nicht nachvollziehbar. Die Erhöhung auf 3 % in Anpassung an die realistische Nutzungsdauer moderner Wohngebäude sowie die Einführung einer zeitlich befristeten und räumlich begrenzten Sonderabschreibung als Anreiz für den Neubau ist ein Muss.
Auch die geringe Akzeptanz bzw. Annahme der Förderprogramme zur Modernisierung von Wohngebäuden macht dem Sprecher der Initiative Sorgen. „Wenn es keine Anreize für energetischen und altersbedingten Sanierung von Wohngebäuden gibt, ist es kein Wunder, dass Gebäude in einem nicht mehr den Anforderungen entsprechenden Zustand verbleiben“. Die KFW-Förderung muss vereinfacht und deutlich erhöht werden.
„Kommunen müssen wieder verstärkt zu Bauherren werden“, so Norbert Blankenhagen von der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. In bereits stark verdichteten Stadt- oder Gewerbegebieten ist der Flächenverbrauch privater Grundstückseigentümer kontraproduktiv. Diese brauchen Anreize, schlecht genutztes oder unbebautes Bauland für den Wohnungsbau freizugeben.
Eine wichtige Rolle spielen Kompensationsmaßnahmen, wie die Schaffung neuer Grünflächen. Bei der Gestaltung innerstädtischer Quartiere ist hier wiederum der Flächenverbrauch sinnvoll abzuwägen. Eine ausreichende grüne Versorgung ist bei intelligenter Planung auch mit weniger Fläche machbar. Kurzfristig scheinen Maßnahmen zur Gebäudebegrünung zwar kostenintensiver, langfristig helfen sie den Menschen vor Ort und dem Mikroklima im Quartier jedoch unmittelbar und - die Atraktivität gepflegter Außenanlagen steigert den Wert der Immobilie.
Dass sich der Gebäudebereich in Sachen Klimaschutz herausragend entwickelt hat, zeigt ein anschaulicher Vergleich: innerhalb von 24 Jahren konnten im Gebäudesektor 43 % CO2 eingespart werden. Im gleichen Zeitraum kommt der Verkehrssektor auf gerade einmal 1,8 %. (Quelle: Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung)
Der in seinem Umfang beträchtliche Aufholbedarf in den verschiedensten Bereichen der Wohnraumpolitik macht eines deutlich: Bedarfsgerechter und sozialer Wohnungsbau muss auch nach 2019 in der Zuständigkeit von Bund und Ländern bleiben. Durch die momentane Zuständigkeit des Bundesministeriums für Umwelt, Bau und Reaktorsicherheit sind in der Vergangenheit zu viele fachliche Konflikte entstanden. Kurz: „Wir brauchen wieder ein umfassendes, kompetentes und umsetzungsstarkes Bauministerium“, so der Sprecher der Initiative Impulse für den Wohnungsbau, Dr. Hannes Zapf. Und weiter: „Es sind dringend Gesetzesanpassungen von Nöten“.